Mohammed und die Anfänge des Islam: Im Namen Allahs

Mohammed und die Anfänge des Islam: Im Namen Allahs
Mohammed und die Anfänge des Islam: Im Namen Allahs
 
Damals wiesen wir Ibrahim den Ort des Hauses zu: Geselle mir nichts bei! Halte mein Haus rein für die, die es umkreisen, für die, die beim Gebet stehen, sich beugen, sich niederwerfen! Rufe unter den Menschen die Pilgerfahrt aus! Zu Fuß sollen sie dann zu dir kommen und auf ausgemergelten Kamelen jeglicher Art, die aus jedem erdenklichen tiefen Bergeinschnitt herantraben! Sie sollen selber teilhaben an dem, was ihnen höchsten Nutzen bringt, und sollen an festgelegten Tagen den Namen Allahs (beim Schlachten des Viehs) ausrufen, das er ihnen als Nahrung beschert — Esst davon und speiset den notleidenden Armen! — Dann sollen sie sich vom Schmutz befreien, ihre Gelübde erfüllen und das ehrwürdige Haus umkreisen!« In Sure 22, Vers 27 und 29 finden sich diese Sätze. Wahrscheinlich wurden sie Mohammed offenbart, noch bevor er 622 Mekka verlassen und in Medina Zuflucht suchen musste.
 
 Wurzeln des Islam
 
Wovon ist in diesen Versen die Rede? Das Haus schlechthin ist im Koran die Kaaba, der wichtigste Kultbau des Islam: Sie ist unverletzlich, denn sie ist Mittelpunkt eines heiligen Bezirks, aus dem das profane Treiben ausgeschlossen sein soll. Der Ort, an dem sie steht, ist Ibrahim — dem Abraham des Alten Testaments — einst von Gott gezeigt worden; zusammen mit Ismael, seinem Sohn, hat er sie dort errichtet, wie in Sure 2, Vers 127 erzählt wird. Die Kaaba hat also nach muslimischer Auffassung eine Geschichte, die lange vor Mohammed beginnt und Mekka mit der religiösen Überlieferung des Alten Testaments verknüpft. Abraham/Ibrahim erhält den Befehl, die Pilgerfahrt einzurichten, an der Menschen aus ganz Arabien teilnehmen sollen. Sie hat an bestimmten Tagen des Jahres nach einem festliegenden Ritual zu erfolgen, das ein Schlachtopfer und die Speisung der Armen einschließt.
 
Zur Zeit Mohammeds galt es allen Mekkanern als eine historische Tatsache, dass die ergiebigste Quelle ihres Ansehens und ihres Lebensunterhalts auf Ibrahim zurückgehe. Der Kaabakult sei freilich nach dem Tode Ibrahims und Ismaels eine Zeit lang durch Angehörige jemenischer Stämme usurpiert gewesen, doch der Koraischite Kusaij habe schließlich die rechtmäßigen Verhältnisse wiederhergestellt, indem er jene unterworfen und den Kultdienst seinem Klan gesichert habe. Mohammed steht in der überlieferten Genealogie des Stammes der Koraisch fünf Geschlechter unter Kusaij; er gehörte mithin zu den führenden Familien Mekkas. Dass jener Kusaij als der legitime Erbe Ibrahims angesehen wurde, hatte der fiktive Stammbaum der Koraisch zu belegen, den man zu Ismael hinaufführte. Die jemenischen Araber hingegen, die man keineswegs nur im Süden der Halbinsel antraf, sondern z. B. auch im Gebiet des heutigen Syrien und im Westen des Zweistromlandes, leiteten sich nicht von Ismael her, eine Tatsache, die bald erhebliches Gewicht erlangen sollte.
 
Indem sich die Koraisch auf Ibrahim und Ismael als die Stifter des Kaabakultes beriefen, schufen sie für sich und die ihnen hierin folgenden Araber ein Band, das insofern neuartig war, als es die nach Arabien hineinströmende hochreligiöse Überlieferung nutzbar machte. Geweiht war der Kaabakult Allah, »dem Gott«, wie dieses Wort zu verdeutschen ist. Allah galt den vorislamischen Arabern freilich nicht als der einzige, sondern nur als der höchste Gott; andere Gottheiten wurden an vielen Orten auf der Halbinsel verehrt, unter anderem auch in der unmittelbaren Nähe des mekkanischen Heiligtums. Den dort vollzogenen Riten pflegten die Koraisch freilich nicht beizuwohnen. Sie waren bestrebt, ihren Kult zu fördern; die Mitglieder fremder Stämme wurden während ihres Aufenthaltes im heiligen Bezirk an der Kaaba von den Angehörigen eines koraischitischen Männerbundes in Obhut genommen, zu dem auch Mohammed zählte. So war es den Koraisch gelungen, Einfluss in verschiedenen Landstrichen der Halbinsel zu gewinnen, und es war inzwischen bei ihnen üblich, die Stämme Arabiens in solche einzuteilen, die das Heiligtum respektierten, und andere, die es missachteten. Diese Einteilung hatte zudem eine durchaus politische Bedeutung; denn der Wohlstand, der es der Sage nach Kusaij als erstem Koraischiten ermöglicht hatte, in Mekka ein Haus aus Stein zu bauen, beruhte nicht nur auf den Einkünften aus dem Kaabakult, sondern auch auf der Ausrichtung von Handelskarawanen zwischen dem Jemen und Palästina. Infolge fortwährender Kriege zwischen dem Byzantinischen Reich und dem sassanidischen Iran hatte sich seit dem ausgehenden 5. Jahrhundert ein Teil des Warenverkehrs aus Asien in den Mittelmeerraum, der über das Zweistromland abgewickelt worden war, weiter nach Westen verlagert, ein Umstand, der den Aufstieg Mekkas verstehen hilft. Um die Handelswege freizuhalten, mussten sich die Koraisch die Gewogenheit der Stämme bewahren, deren Streifgebiete von den Karawanen durchzogen wurden. Es war mithin eine eigentümliche Verquickung von kultischen, politischen und wirtschaftlichen Belangen, die die führenden Koraisch zu beachten hatten.
 
Dass sie dies recht gut verstanden, fand nicht jeder lobenswert. Der hochreligiöse Einfluss, der die religiös-politisch begründete Sonderstellung der Koraisch ermöglichte, lieferte auch die Ideen, mit denen eben diese Sonderstellung angefochten werden konnte. Bereits vor Mohammed identifizierten einzelne Gottsucher jenen Allah, der Ibrahim den Befehl zur Stiftung des Kaabakultes erteilt hatte, mit dem Schöpfer und Erhalter der Welt, der diese am Ende aller Tage vernichten und dann über die Menschen zu Gericht sitzen werde; die Toten würden auferweckt werden, um ihm Rede und Antwort zu stehen. Gerade diese letzte Aussage stieß bei den heidnischen Arabern auf entschiedene Ablehnung; sie glaubten, mit dem Tod sei alles ein für alle Mal vorbei. Vor allem aber reizte sie das mit der Auferstehung angekündigte Gericht zum Widerspruch: Wenn dies wahr sein sollte, dann war ein jeder aufgefordert, sein irdisches Handeln sehr genau zu bedenken! Mit anderen Worten, der Religion wuchs eine weit über das Kultische hinausreichende eigene Bedeutung zu, die die eingespielte Verbindung von Geschäft, Politik und Verehrung der Gottheiten fragwürdig erscheinen ließ. Verfehlungen wie das Protzen mit Reichtum oder der Betrug bei Kauf und Verkauf wurden nun als heilsgefährdend wahrgenommen und als Verstoß gegen die Gesetze des Schöpfers gedeutet.
 
 Beginn des Wirkens Mohammeds
 
Gerade die Frivolität, mit der die meisten Mekkaner solche Gedanken beiseite schoben und sich darüber hinwegsetzten, dass sie als Geschöpfe Gottes diesem zu Dank verpflichtet und gehalten seien, in Anbetracht des drohenden Endgerichts ein sittliches Leben zu führen, gerade diese Leichtsinnigkeit war es, die Mohammed zutiefst aufwühlte. Auf dem Berg Hira in der Nähe Mekkas suchte er bisweilen Ruhe vor dem Getriebe der Stadt. Dort hatte er eines Tages — etwa im Jahre 610 — sein erstes Berufungserlebnis. Zu Tode erschrocken, von panischer Furcht ergriffen, allein darauf aus, das abzuwehren, was ihm widerfuhr, stürzte er nach Hause und rief seiner Gattin Chadidja entgegen: »Hüllt mich ein! Hüllt mich ein!« Da vernahm er die Worte: »Der du dich eingehüllt hast! Steh auf und warne! Und deinen Herrn, den ehre! Und deine Kleidung, die reinige! Und den Sündenschmutz, den meide!«
 
Diese vermutlich ältesten Sätze des Korans stehen in Sure 74, Verse 1—5. Ob sich Mohammeds Berufung genau so zugetragen hat, ist umstritten. Im Kern ist in diesen wenigen Worten die Botschaft, die der Prophet von nun an seinen Landsleuten immer wieder verkünden wird, schon enthalten. Mohammed ist der Warner vor dem Gericht, das der verehrungswürdige Allah abhalten wird, und die Menschen müssen Acht geben, dass sie sich nicht besudeln — im wirklichen wie im übertragenen Sinne; sie müssen im Zustand der Reinheit vor ihren Schöpfer treten, und das meint zum einen die rituelle Reinheit, die im Islam als ein Hauptstück der Glaubensausübung gilt und durch ins Einzelne geregelte Waschungen des Körpers sowie durch das Anlegen reiner Kleidung erworben wird, zum anderen die Reinheit von Verfehlungen — gedacht ist vor allem an unrechtmäßige Bereicherungen. Nur in seinem engsten Kreis stieß Mohammed mit diesen Ansichten und mit den seltsamen Worten, in denen er sie äußerte, auf Verständnis, und als er sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr von Gott angesprochen fühlte, überkamen ihn bohrende Zweifel. Die Offenbarungen, die sich danach einstellten, griffen die Themen der ältesten Verse auf und vertieften sie. Indem Mohammed sich an seine Mitmenschen wandte und sie mit aufrüttelnden Worten zur Aufgabe ihres gewohnten Lebens und zur Veränderung ihres Verhaltens angesichts des drohenden Weltgerichts drängte, unterschied er sich von eigenbrötlerischen Gottsuchern.
 
Schon bald nach Beginn der Offenbarungen war Mohammed jedoch deutlich geworden, dass Allah nicht der höchste Herr sein könne, der neben sich noch andere Gottheiten dulde, sondern der einzige Gott. Diese Einsicht wird von nun an mit Schärfe und Entschiedenheit herausgearbeitet und zu einem Grundpfeiler des neuen Glaubens ausgebaut. Aus dem strengen Eingottglauben folgte die Zuspitzung der Forderung, das ganze Leben neu zu bedenken und neu zu gestalten. Die Hoffnung, sich in den Schutz anderer Gottheiten zu flüchten oder sie, wenn es schon ein Weltgericht geben werde, an jenem Tage als Fürsprecher anzurufen, wie es sich die heidnischen Mekkaner vorstellten, wurde als trügerisch entlarvt. Zunächst gegenüber den heidnischen Mekkanern, dann auch gegenüber Judentum und Christentum wurden durch den von Mohammed verkündeten Eingottglauben klare Grenzen gezogen.
 
 Kampf um den Glauben: Die Hidjra
 
Mohammed war von seiner Ehefrau Chadidja in seinen Überzeugungen bestärkt worden; sie war erheblich älter als er und hatte ihn, der dem angesehenen Klan der Banu Haschim angehörte, geheiratet, nachdem sie verwitwet war. Mohammed war damals mittellos gewesen; er war früh verwaist — sein Vater war bei einem Aufenthalt in Medina gestorben, wohin im Übrigen seine Mutter weitläufige verwandtschaftliche Beziehungen hatte. Chadidja also, eine Kauffrau, und einige andere Verwandte und Freunde standen in den Jahren nach seiner Berufung zu ihm und hielten ihm auch noch die Treue, als er sich seit etwa 613 mehr und mehr an die Öffentlichkeit wagte. Die Offenbarungen, die Mohammed vortrug, erregten weit mehr Ärgernis als Bewunderung; dem Propheten warfen seine Gegner vor, mit der Zauberkraft seiner in Reimprosa gefassten Worte verführe er die Toren und säe Unfrieden in den Sippen. Möglicherweise im Zusammenhang mit der einsetzenden Verfolgung zog um 615 eine Schar von Bekehrten nach Äthiopien, von wo die meisten allerdings schon vor der Hidjra (Auswanderung) nach Mekka zurückkehrten. Unstrittig ist, dass die von etwa 616 bis 619 andauernde Ächtung des Klans der Banu Haschim durch die übrigen Koraisch sich gegen den Unruhestifter Mohammed richtete. Bald nach dem Ende dieser Maßnahmen starben Chadidja und der Onkel des Propheten, Abu Talib, der Mohammed stets unterstützt hatte. Nur indem der Prophet das altarabische Rechtsinstitut des »Fremdenschutzes« in Anspruch nahm, der ihm von einem Mitglied einer mit den Banu Haschim eng verwandten Familie gewährt wurde, entzog er sich Anschlägen auf sein Leben.
 
Die um 615 beginnende Verfolgung Mohammeds und seiner Anhänger durch die führenden Mekkaner erklärt sich aus den radikalen Konsequenzen der neuen Lehre, die nunmehr deutlich formuliert wurden. Allah, der einzige Gott, kann neben sich keine anderen Herren dulden, die vermeinen, in eigener Machtvollkommenheit über Menschen und Güter zu verfügen. Als Inbild eines solchen Tyrannen erscheint im Koran der Pharao; Mose wird von Gott berufen, diesen Gewaltherrscher zur Umkehr aufzufordern und die Israeliten ziehen zu lassen. Der Pharao erkennt, dass, ginge er auf Moses Begehren ein, seine Macht abbröckeln würde; er fürchtet, Mose und sein Anhang, die Schwachen und Unterdrückten, wollten ihn aus Ägypten vertreiben. Die Verse des Korans lassen den tief gehenden Konflikt Mohammeds mit seinen Landsleuten durchscheinen, die befürchteten, der neue Glaube werde die eingangs geschilderte sorgfältig austarierte Balance von kultischen und geschäftlichen Interessen zerstören und den herausragenden Status des mekkanischen Heiligtums untergraben (Sure 28, 57). Wenn es nur einen Gott gibt, dann müssen auch die Kultstätten in der Umgebung Mekkas diesem geweiht sein; entgegen allem Herkommen suchte Mohammed sie nun mehrfach auf und predigte dort seine neue Lehre. Kaum nach Medina vertrieben, wird Mohammed eine Offenbarung verkünden, in der jene anderen Kultorte für Allah beansprucht und mit den an der Kaaba vollzogenen Riten verschmolzen werden.
 
Schon mehr als ein Jahr bevor Mohammed seine Heimatstadt verlassen musste, hatten sich Teile seiner Anhängerschaft in das Gebiet von Medina abgesetzt. Schließlich folgte ihnen der Prophet. Im Koran ist von seiner Vertreibung die Rede; sie wird beschworen, um den Mekkanern die Rache Gottes anzukündigen (Sure 47, 13; 60, 1). Später wird das islamische Gemeinwesen die Hidjra des Jahres 622 zum Beginn einer neuen Zeitrechnung erklären. Zunächst aber war vieles von dem, was Mohammed geschaffen hatte, infrage gestellt. Ungünstig waren die Bedingungen für einen Neuanfang, und wahrscheinlich dachte der Prophet gar nicht an einen langen Aufenthalt, sondern wollte möglichst rasch nach Mekka zurückkehren (Sure 28, 85).
 
 Kultische Grundlegungen
 
In Mekka hatten Mohammed und seine Anhänger stets innerhalb des heiligen Bezirkes zur Kaaba hingewandt ihre rituellen Gebete vollzogen. In Medina gab es kein solches Heiligtum; die schon vorher dorthin gelangten Anhänger des Propheten hatten sich einen Gebetsplatz abgesteckt. Nach längerem Ringen entschied Mohammed, man solle nach Mekka hingewandt beten; das Fleckchen Erde, auf dem sich die Beter befanden, sollte rituell rein und damit aus dem Bereich des Profanen ausgesondert sein. Symbolisch konnte auf diese Weise an jedem beliebigen Ort die Anwesenheit an jenem Kulthaus hergestellt werden, das einst Ibrahim errichtet hatte und das nach muslimischem Glauben den Brennpunkt des Einwirkens Allahs auf seine Schöpfung markiert. Mit anderen Worten: Die Vertreibung nach Medina zwang Mohammed, die vorislamische Schale, die ihm selbstverständlichen Gegebenheiten des mekkanischen Kultes, die seine universalreligiöse Botschaft von dem einen Gott umhüllte, zu zerbrechen, und schuf so die Voraussetzung dafür, dass er zum Stifter einer Weltreligion wurde.
 
Ein Gesandter Gottes hat eine Botschaft, das Buch Gottes, zu überbringen, wie es einst Mose getan hatte. Das wussten Mohammed und die Mekkaner. Schon vor der Vertreibung hatte man begonnen, Teile der Offenbarungen in einzelnen, selbstständigen Texten, den Suren, schriftlich niederzulegen. Die Bevölkerung von Medina, die zum Teil judaisiert war, müsste, so hoffte Mohammed, bezeugen, dass er ein wahrer Prophet sei, eben weil sie aus ihrer eigenen Überlieferung das Wesen der Prophetenschaft kenne. Es traf Mohammed schwer, dass genau das Gegenteil eintrat: Die Juden von Medina spotteten über seinen Anspruch und versuchten, ihn mit Fragen nach Geschichten aus dem Umkreis des Alten Testaments auf das Glatteis zu führen. In der bisweilen mit großer Schärfe geführten Auseinandersetzung klärte sich jedoch Mohammeds Bewusstsein für die Eigenständigkeit seiner Offenbarung; er schrieb ihr jetzt die absolute Geltung vor allen anderen Offenbarungen zu, die von ihren Anhängern im Laufe der Zeit verfälscht worden seien, während die seinige, die letzte, die der Menschheit übermittelt werde, die göttliche Rede authentisch wiedergebe.
 
 Triumph Mohammeds
 
Auch in materieller und politischer Hinsicht bildete die medinensische Zeit eine Phase erfolgreich bestandener Prüfungen. Etwa eineinhalb Jahre nach seiner Ankunft gelang es Mohammed, die Medinenser zum Mitwirken beim Angriff auf eine mekkanische Handelskarawane zu bewegen; der berühmte Sieg von Badr 624 versetzte den Mekkanern einen schweren Schlag und brachte Mohammed, den mekkanischen »Auswanderern« und ihren medinensischen »Helfern« reiche Beute. Die nachfolgenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit Mekka überstand Mohammed mit Glück und Geschick. Im Jahre 628 nötigte er seiner Vaterstadt das Zugeständnis ab, dass er mit seinem Anhang im folgenden Jahr die Pilgerriten vollziehen dürfe: Seine Feinde hatten ihn als ebenbürtig anerkannt. Bald danach brach er unter einem Vorwand das Abkommen; aber auch in Mekka schwand der Widerstand gegen ihn, sodass man ihn kampflos in die Stadt einziehen ließ.
 
Woher dieser Sinneswandel? Nicht gegen ihn, den einst Vertriebenen, sondern mit ihm, so erkannten die führenden Koraischiten, würden sie ihre politischen Ziele erreichen. Schon begannen Stämme von überall her, ihm als dem mächtigsten Mann Arabiens nach alter Sitte ihre Aufwartung zu machen; die Kaaba würde auch in den erweiterten Pilgerriten ihren überragenden Rang behalten. Das Lebenswerk des Propheten erschien nun fast wie die Erfüllung des koraischitischen Ehrgeizes, der mit jenem sagenhaften Kusaij seinen Anfang genommen hatte. Freilich verhinderten es die politischen Umstände — Mohammed musste auf seine medinensischen »Helfer« Rücksicht nehmen —, dass der Prophet für immer nach Mekka zurückkehrte. Doch er kam noch einmal, im Jahre 632, zu der später Abschiedswallfahrt. Da war er unbestritten der bedeutendste Mann auf der Halbinsel; die führenden Koraischiten hingegen, die ihn lange bekämpft, dann aber die Möglichkeiten ergriffen hatten, die sein Werk ihnen eröffnete, erschienen wie die eigentlichen Gewinner; die neue Religion war koraischitisch geworden, wie vor allem jene Gläubigen spöttelten, deren Stämme nicht zu den Ismael-Arabern zählten. So stand Mohammed, als er 632 eines plötzlichen Todes starb, auf dem Höhepunkt von Macht und Ansehen.
 
Prof. Dr. Tilman Nagel
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Arabersturm: Ein Weltreich entsteht
 
 
A comprehensive history of India, Band 5: The Delhi sultanat (A. D. 1206-1526 ), herausgegeben von Mohammad Habib. Delhi 1970. Nachdruck Delhi 1982.
 Conermann, Stephan: Die Beschreibung Indiens in der »Rila« des Ibn-Baa. Aspekte einer herrschaftssoziologischen Einordnung des Delhi-Sultanates unter Muammad Ibn-Tuluq. Berlin 1993.
 
An economic and social history of the Ottoman Empire, 1300-1914, herausgegeben von Halil Inalcik und Donald Quataert. Cambridge u. a. 1994.
 Faroqhi, Suraiya: Kultur und Alltag im Osmanischen Reich.Vom Mittelalter bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. München 1995.
 
Geschichte der arabischen Welt, herausgegeben von Ulrich Haarmann. München 31994.
 
The history and culture of the Indian people, herausgegeben von Ramesh Chandra Majumdar.Band 6: The Delhi sultanate. Bombay 31980.
 Inalcik, Halil: The Ottoman Empire. The classical age 1300-1600. London 1994.
 Julien, Charles-André: Histoire de l'Afrique du Nord. Tunisie, Algerie, Maroc, Band 2: De la conquète arabe 1830, bearbeitet von Roger le Tourneau. Neuausgabe Paris 1986.
 
The legacy of Muslim Spain, herausgegeben von Salma Khadra Jayyusi, 2 Bände. Neuausgabe Leiden u. a. 1994.
 Lévi-Provencal, Évariste: Histoire de l'Espagne musulmane. 3 Bände Neuausgabe Paris 1950-67.
 Matuz, Josef: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 31994. Nachdruck Darmstadt 1996.
 Nagel, Tilman: Der Koran. Einführung - Texte - Erläuterungen. München 21991.
 Ronart, Stephan und Ronart, Nandy: Lexikon der arabischen Welt. Ein historisch-politisches Nachschlagewerk. Aus dem Englischen. Zürich u. a. 1972.
 Terrasse, Henri: Histoire du Maroc des origines. L'établissement du protectorat français, 2 Bände. New York 1949-50. Nachdruck New York 1975.
 Terrasse, Henri: Islam d'Espagne. Une rencontre de l'Orient et de l'Occident. Paris 1958.

Universal-Lexikon. 2012.

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